Predigt vom „Evensong“ am 01.10.2023

Psalm 104

Das Lob des Schöpfers

Dieser Psalm enthält ein bekanntes Tischgebet: Aller Augen warten auf dich und du gibst ihnen ihre Speise zu rechten Zeit. Eine staunende Dankbarkeit für das Wunder der Ernte. Du sättigst alles, was da lebt mit Wohlgefallen – nicht nur mit Brot und Wein, sondern auch mit geistigen Gütern: Musik, einem guten Buch, gelungener Beziehung zu Menschen, Liebe, Frieden.

Der 104 Psalm holt weit aus: Er beschreibt Gottes gute Ordnung für diese Welt, von Bergen und Meeren, von Pflanzen und Tieren. Und schließlich ist auch vom Menschen die Rede. Der Psalm malt farbenprächtige Bilder. Der ganze Reichtum und die überfließende Fülle sind sein Thema. Doch nicht nur. Es ist beides: Schönheit und die gute Ordnung Gottes, die nicht zerstört werden darf. Dass etwa dem Meer „Grenzen“ gesetzt sind, dass es nicht wieder das Erdreich bedecken darf, ist ein zentrales Bild für Gottes Ordnung schaffendes Handeln. Gottes Schöpfungshandeln ist Abwehr des Chaos. Damit alles leben darf und kann.

Und der Mensch, dessen Haut vom Öl schön werde und den der Wein das Herz erfreuen soll?

Der Mensch ist eingefügt als ein Teil, aber auch als die Krönung dieser guten, verlässlichen Ordnung Gottes. Er ist ein Geschöpf wie alle anderen auch, aber er ist auch das Ebenbild Gottes. Er ist aus dem gleichen Stoff gemacht wie die anderen Geschöpfe auch. Ihm ist ein Platz in der guten Ordnung Gottes zugewiesen. Aber auch dem Menschen sind Grenzen gesetzt. Er soll sie akzeptieren.

Spätestens hier kommen Fragen auf und menschliche Schwachstellen werden berührt: Die Geschichte der Menschheit lässt sich auch beschreiben als eine Geschichte des Versuches, den von Gott gewiesenen Platz zu verlassen. Schon die ersten Seiten der Bibel geben darüber Auskunft. Gott baut einen Garten. Er gibt den Menschen aufgeben, nur ein einziges Gebot. Er zieht ihnen Grenzen. Und immer wieder überschreitet der Mensch die von Gott gezogenen Grenzen. Zunächst mit dem harmlos erscheinen Apfelbaum im Paradies. Dann mit dem Mord am Bruder und auch mit dem Turm, der in die Wolken reichen soll. All dies sind Belege dafür, wie der Mensch es letztlich nicht akzeptiert, ein Geschöpf unter anderen Geschöpfen zu sein. Diese Kette lässt sich bis zum heutigen Tag fortsetzen.

Daneben gibt es immer wieder den Versuch des Menschen – im Gegenzug – sich vor Verantwortung zu drücken, sich rauszuhalten, oder still abzuwarten: „ich bin ja doch nur ein kleines Würmchen, nur ein kleiner Funke im Weltall! Was kann ich schon tun?“

Der Platz, den Gott uns in seiner Schöpfung zugewiesen hat, ist ein anderer. Wir haben wichtige Aufgaben bekommen: Uns zu kümmern, Tieren Lebensraum lassen, Erholungsräume zu gewähren, das Schwache zu schützen, Verantwortung übernehmen im Auftrag Gottes. Die Schöpfungsberichte erzählen auch davon, dass der Mensch die Aufgabe hat, den Dingen die Namen zu geben, „denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. Das geben von Namen ist Ausdruck von Herrschaft im Auftrag Gottes.

Der Platz, den Gott uns Menschen zugewiesen hat, liegt auf der „Mittelstraße – so hat es Martin Luther ausgedrückt.  Er soll sich vor seiner Verantwortung nicht drücken und sich dennoch seiner Grenzen bewusst bleiben.

Der Mensch soll das rechte Maß finden in seinem Tun und Lassen, dem Rühren der Hände und dem Stille Halten der Hände, weil Gott am Werk ist. Meine Abhängigkeit von Gott anerkennen. Ich soll mich einreihen in die Warteschlange an der Essensaugabe und dennoch nicht untätig sein, und Lösungen finden, die Hungrigen satt zu machen.

Der Psalmbeter singt sein stilles Lied: Er wartet auf Gottes Güte und weiß. Wem er sich anvertraut. Dem Schöpfer aller Ding. Amen