Predigt über Epheser 6, 10 – 20 im Gottesdienst der Ev. Kirchengemeinde Oberwinter am 12. März 2023 (Pfarrer i.R. Wilfried Neusel)

Gnade und Friede sei mit uns von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen

Liebe Geschwister, Freundinnen und Freunde der Gemeinde Jesu Christi,

wer die Machtfrage nicht stellt, hat sie für sich schon beantwortet. Aus Furcht vor unliebsamen Konsequenzen hat er/sie sich den Mächten und Gewalten dieser Welt unterworfen. Er/Sie passt sich dem Zeitgeist an, dem Geist des neo-liberalen Kapitalismus, dessen Prophetin Maggy Thatcher einst verkündete: „There is no alternative.“

Israel, Gottes Volk, und die Kirche Jesu Christi haben das schon immer anders gesehen. Weil wir von Gott gelernt haben: Ihr habt eine ganz entscheidende Alternative!

Davon handelt auch unser Predigttext, den wir im Epheserbrief, im 6. Kapitel finden.

Wir hören die Verse 10 – 20 unter der Überschrift: Die Waffenrüstung Gottes. Ich lese nach der neuen Übersetzung der Zürcher Bibel:

Wer dachte, der Brief an die Epheser sei ein poetisch-abgeklärtes Rundschreiben, gleichsam ein zeitloser Katechismus für die Gemeinden in Klein-Asien, den oder die muss ich enttäuschen. Zwar schreibt ein Ausleger in seinem Kommentar zum Epheserbrief: „Der spekulativ veranlagte, zu theologischer Besinnung und maßvollem Zuspruch neigende Autor verfolgt in seiner Art auch praktische, pastorale Anliegen seiner Zeit, die allerdings nicht leicht zu bestimmen sind.“ Aber das ist Unsinn. Jeder Satz im Brief ist ein anti-imperialer Gegen-Satz zum Kaiserkult des römischen Imperiums zur Regierungszeit Vespasians. Der Epheserbrief ist keine Spätschrift des 1. Jahrhunderts, sondern eine unmittelbare Reaktion auf den verzweifelten Kampf der Judenheit Palästinas gegen Rom 66 – 73 n.Chr. (Eberhard Faust, Pax Christi et Pax Caesaris)

Das Vokabular auch in den gelesenen Versen ist der ideologischen Schatzkiste des imperialen Herrscherkults entnommen – um vom Verfasser des Briefs entmythologisiert zu werden. Es geht um die Entlarvung einer religionisierten Politik, die totalitäre Züge hat.

Erinnern wir uns an den historischen Kontext dieses Texts: die von Augustus dekretierten Privilegien der jüdischen Gemeinschaft im römischen Reich, unter anderem die Erlaubnis zum Sammeln der Tempelsteuer in der weit verzweigten jüdischen Diaspora, wurden von der hellenistischen Bevölkerung in Kleinasien und Ägypten immer wieder beargwöhnt. Die kultische Absonderung, die transnationale Verbundenheit der Judenheit mit dem religiösen Zentrum in Jerusalem und das Bekenntnis zu dem einen  Gott wurden als Ausdruck eines elitären separatistischen Nationalismus betrachtet. In Alexandrien, Antiochien, Ephesus und Korinth flammten immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen des Mob auf, der die Judenheit als Gefahr für die pax Romana, die römische Friedensordnung, brand-markte.

Seit dem Tod Herodes, des Großen, im Jahr 4 v.Chr. brachen in Palästina wegen der ökonomischen, sozialen und religiösen Repressalien der römischen Gouverneure regelmäßig gewaltsame Aufstände aus, bis Kaiser Vespasian und sein Sohn Titus die Judenheit in Palästina grausam vernichteten. Im Zuge der Belagerung Jerusalems wurden täglich bis zu 500 Juden vor den Toren der Stadt gekreuzigt, selbst Juden mit dem Status eines römischen Ritters. Mit der Zerstörung Jerusalems und der Entweihung des Tempels im Jahre 70 n.Chr. hatte Vespasian sein Ziel erreicht. Der Chronist Sulpicius Severus schreibt: „Andererseits waren andere und auch Titus selbst der Ansicht, dass vorrangig der Tempel zu zerstören sei, damit die Religion der Juden und der Christen vollständiger beseitigt würde.“ Religiöse Toleranz endete, wo politische und soziale Konsequenzen des Glaubens die göttliche Ordnung Roms infrage stellten.

Im anschließenden Triumphzug Vespasians durch die „befriedeten“ Provinzen des Reiches wurden die im Jerusalemer Tempel erbeuteten Weihegeräte zur Schau gestellt und schließlich im Templum Pacis, dem „Friedenstempel“ untergebracht, der aus Anlass des Siegs über die widerspenstige Judenheit in Rom gebaut wurde.. Die Tempelsteuer musste nach der schrecklichen Niederlage der Judenheit an Jupiter Capitolinus abgeführt werden, dessen Tempel in den Wirren des Vier-Kaiser-Jahres zerstört worden war. Mit der Schändung des  Jerusalemer Tempels wurde nicht nur die jüdische Gemeinschaft in Palästina, sondern die gesamte reichsweite jüdische Diaspora daran erinnert, wer der Herr der Welt zu sein beanspruchte.

Gerade die Zwangsintegration der widerspenstigen Judenheit in die „römische Zivilisation“ schrieb die Propaganda Vespasian und seinem Sohn Titus als Hauptverdienst und Eckpfeiler der wiederhergestellten Pax Augusta, der einst von Augustus proklamierten Friedensordnung, zu. Gerade die aufstandsgeneigten Juden sollten nach Auffassung Vespasians nun also als militärisch und kultisch besiegtes Volk wieder in den Frieden des Staatsleibes, als dessen Haupt und als dessen göttlichen Friedensstifter man den Kaiser ansah, re-integriert werden. Sie sollten durch die römisch-hellenistische Zivilisation endlich zum einzig wahren neuen Menschentyp der „humanitas“ sozialisiert werden, weg  von national-religiöser Separation hinein in die Ökumene des römischen Reiches.

Diese Pax Augusta wird religiös motiviert. Der Kaiser ist Logos der Götter, insbesondere Repräsentant Jupiters auf Erden, und stellt durch die imperiale Befriedung die durch Bürgerkriege zerstörte moralische, soziale und religiöse Ordnung wieder her. Vespasian wurde als Heiland, als Retter verehrt. Und die Kreuzigungen der Juden waren eine entscheidende Grundlage für die Durchführung des triumphalen Rituals in Rom, einschließlich des kultischen Friedensmahls, das der Imperator selbst bereiten musste. Denn nur, wer mindestens 5000 Feinde getötet hatte, verdiente den Triumphzug. Da hatten die Römer ihre Standards.

Zu diesem polit-religiösen Wahnsinn sagen wir mit dem Paulusschüler, der den Brief an die Epheser verfasste: Nein!! Wir bekennen den, der nicht andere kreuzigen ließ, sondern selbst ans Kreuz ging. Wir bekennen den, der den Frieden nicht durch grausame Tötung der Feinde durchsetzte, sondern die Feindschaft zwischen Judenheit und hellenistischer Ökumene durch seine Lebenshingabe überwand. Die jüdische und die heidnische Ökumene werden eins und in Christus mit Gott versöhnt. (Epheser 2, 11-22)

Aber, liebe Gemeinde, mit dem Bekenntnis des Epheserbriefs hat es nicht sein Bewenden.

Denn die imperialistischen Wahnvorstellungen gehören ja nicht der Vergangenheit an. Vor einiger Zeit sah ich einen US-Militärseelsorger in einer der Eliteschulen des US-Militärs im Fernsehen, der mit Inbrunst die pax Romana als großes Vorbild für die pax Americana verkündete. Amerika ist dazu ausersehen, die Welt zu befrieden!

Die gute und allein gültige Norm ist die westliche kapitalistische Wertegemeinschaft. Wer anders denkt und lebt, gehört potenziell zur Achse des Bösen. Fukuyama, einst Präsidentenberater, hat mit seiner Vorstellung, dass der neo-liberale Globalismus uns das Ende der Geschichte, das Paradies beschere,  bis heute die Hirne der Privilegierten vernebelt. Wer in der Ökumene der Besitzenden ist, gehört zur Menschheit. Wer draußen ist, gehört zu den Barbaren. Einer der ökonomischen Vordenker des neo-liberalen Globalismus, Friedrich-August von Hayek, hat mit seiner Bemerkung, in komplexen Großgesellschaften gäbe es keine gemeinsamen Wertvorstellungen mehr, sondern nur noch die Regeln des freien Marktes als universales Bindeglied, viele so genannte Leistungsträger inspiriert.

Norbert Bolz, der prominente Trendforscher, schreibt in seinem „Konsumistischen Manifest“, dass der freie Markt die Versöhnung von Menschen unterschiedlichster Überzeugung bewirke und der Weg zum globalen Frieden sei. Und diesem Markt, so August von Hayek, muss man Demut entgegen bringen. Ihm muss man auch Opfer bringen.  Das alt-bekannte Vokabular hegemonialer Herrschaft. Der mittlerweile weltweit herrschende Kapitalismus bekommt religiösen Charakter, mit bösen politischen und sozialen Konsequenzen. Der Kapitalismus ist nicht nur ein Wirtschaftssystem. Er bestimmt mittlerweile alle Sphären unseres Lebens und auch der Natur.

Das einflussreiche European Union Institute for Security Studies gab 2009 gleich in zwei Auflagen eine Sammlung von Studien unter der Überschrift „What demands for 2020?“ heraus, mit einem freundlichen Vorwort des damaligen Vorsitzenden der EU-Kommission Xavier Solana. Darin (S. 73, 2. Aufl.) wird mit unmissverständlicher Deutlichkeit gesagt, dass angesichts der Annahme, dass bis 2020 die Ursachen der sozialen Spaltung zwischen Armen und Reichen nicht behoben seien, die weltweite militärische Abschirmung der Reichen vom Ansturm der Armen unabdingbar sei. Unverblümt wird hinzugefügt, dass dies moralisch abscheulich sei, auch eigentlich eine Verliererstrategie, aber angesichts der Entwicklungen unvermeidbar. Denn: sowohl der politische Wille als auch die Ressourcen für die Durchsetzung der Millennium-Entwicklungsziele würden fehlen.

Und dieser imperiale Virus fraß sich auch in protestantische Gehirne. Horst Köhler, unser Bundespräsident a.D., im Original: „In meiner Einschätzung sind wir insgesamt auf dem Wege, in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe, mit dieser Außenhandelsabhängigkeit, auch wissen muss,  dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren – zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch negativ auf unsere Chancen zurückschlagen – und um bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden – und ich glaube wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.“

Man will den richtigen Kick: die Pornographie der so genannten Leistungsgerechtigkeit a la Lindner. Wer da mit dem Porsche auf der Wester-Welle spätrömischer Dekadenz daher braust, hat keine Probleme, die Milliarden in Armut und Elend lebenden Menschen auf unserem Planeten nurmehr als störenden Faktor zu denunzieren.

Der Sozialstaat ist angeblich nicht zu retten, die Finanzwelt aber allein im Krisenjahr 2008 mit mehr als 3000 Milliarden Euro weltweit; und seit  2009 wurden von den Verursachern der Krise mehr Boni kassiert als vorher. Verfolgen Sie, was von den den Koalitions-verträgen unserer Bundesregierungen übrig bleibt, nehmen Sie die Sparmaßnahmen der Bundesregierung einerseits und ihre Steuerpolitik andererseits wahr, und Sie wissen, dass

die ganze Sozialstaatsrhetorik angesichts der Macht der neo-liberalen Finanzwelt zerbröselt. Russland, China und Indien sind schon lange auf diesen Zug aufgesprungen und sichern im Abgesang der Globalisierung mit diktatorischer Innenpolitik die Privlegien ihrer Oligarchen und spicken mit Drohgebärden die Zettel ihrer außenpolitischen Forderungen. Wie vor dem 1. Weltkrieg soll mit dem Zurück zum Nationalismus der Platz an der Sonne gesichert werden. Wie vor dem 1. Weltkrieg wird die invalide Globalisierung übertönt durch pseudoreligiöse Parolen wie „Neo-Osmanisches Reich“, „Neo-Zaristisches Imperium“, „Chinesisches Friedensreich der Mitte“, „Hindu-Imperium“ oder „USA – God´s own Country“.

Die Hoffnung des so genannten „Freien Westens“,  man könne durch den Kapitalismus den Rest der Welt in die Knie zwingen, ist so töricht wie der einstige imperiale Übermut des römischen  Reiches. Da hilft auch die seit 2001 geltende US-Sicherheitsstrategie nicht, die vermeintliche oder reale Feinde mit „Vorwärtsverteidigung“ besiegen will.

Angesichts dessen, liebe Gemeinde, die ermutigenden Worte des Epheserbriefs: Werdet stark im Herrn und in der Kraft, die von seiner Stärke ausgeht! Zieht die Waffenrüstung an, damit ihr dem Teufel und seinen Machenschaften entgegentreten könnt!

Der Teufel war in der jüdischen Tradition der Patron und Gönner des römischen Imperiums. Dagegen die Waffenrüstung anzuziehen, mag die Pazifisten unter uns erschrecken. Wie kann Gleiches mit Gleichem bekämpft werden? Jedoch, die Übernahme des militaristischen Vokabulars ist nur die Brücke zum Kontrastprogramm.

Werdet stark im Gekreuzigten, den Gott ins Recht gesetzt hat, und in der Kraft, die von der Stärke seiner Liebe ausgeht. Der römische Imperator war im zivil-religiösen Bewusstsein der Vermittler einer göttlichen dynamistischen Aura, die nach der Vorstellung der Kaiserzeit die Soldaten inspirierte und zum Sieg-Frieden führte. Deshalb waren die Armeen Roms so gefürchtet. Der Epheserbrief sagt: Nein, die Kraft, die wirklich zum Frieden führt, geht von dem aus, den das römische Imperium und seine Kollaborateure auf dem Gewissen haben.

Wir kämpfen nicht gegen Fleisch und Blut, nicht gegen Putin, Erdogan oder Xi Jinping, sondern gegen die Mächte, die Gewalten, die Fürsten dieser Finsternis, gegen die Geister des Bösen in den Himmeln. Greift darum zur Waffenrüstung Gottes, damit ihr widerstehen könnt am bösen Tag und, nachdem ihr alles zu Ende gebracht habt, bestehen bleibt.

Menschenfeindliche Systeme wie die virtuelle Welt der spekulativen Finanzmärkte haben

sich verselbständigt und wecken Profiterwartungen, die sich auch auf die Gewinnmargen der Realwirtschaft auswirken und z.B. dazu führen, dass qualifizierte Fachkräfte (z.B. Renault 2008/9) und Kleinbauern (in Indien) sich umbringen und Aber-Millionen Arbei-terinnen und  Arbeiter gesundheitsschädlich schuften und leben müssen. Auch die immer heftigeren Umweltkatastrophen sind Folge des gewinn-süchtigen Ausbeutung der Natur.

Die Mächte und Gewalten werden näher bestimmt als Fürsten dieser Finsternis und Geister des Bösen in den Himmeln. Der historische Hintergrund ist uns heute bekannt. Der berühmte aus Alexandrien stammende, in Ephesus lebende Astrologe Titus Claudius Balbillus war der Astrologe von Nero und Vespasian. Er war der damals einflussreichste Vermittler der Populär-Astrologie, der zufolge die Planeten Geistwesen waren, die als lebendige Götter, Dämonen, Engel, Erzengel und Heilige die siebentägige Woche zum Guten wie zum  Bösen beherrschten. Besonders Mars und Saturn galten in der Populärastrologie als Herrscher über die bösen Tage. Diese Vorstellungen beherrschten nicht nur heidnische, sondern auch jüdische Menschen.

Dagegen klingelt in Epheser 5, 14 der Wecker: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird Christus dein Licht sein. Dieser Weckruf war das Gegengift gegen die manipulierende Macht der Gestirnswelt.

Zieht die Waffenrüstung an! Greift zur Waffenrüstung Gottes! Seid standhaft! Oh je, mögen Sie jetzt seufzen. Prediger, du willst doch gestandene Oberwinterer Gemeindeglieder nicht in die Ecke derer locken, die „spritual warfare“ auf ihre Fahnen geschrieben haben! Diese pfingstlerische Militanz passt nicht in die ruhige Mittelrheinlandschaft..

Nun, wir hören im Brief an die Epheser, dass die Waffenrüstung Gottes eigentlich für Zivildienstleistende gemacht ist. Das Bild wird dem Furcht erregenden Anblick der römischen Legionäre entliehen, um die Abrüstung anzusagen. Gürtet eure Hüften mit Wahrheit. Ja, diesen Hüftgürtel brauchen wir. Die Wahrheit bringt Stehvermögen mit sich und sorgt dafür, dass wir im Widerstand nicht einknicken und buckeln. Bertold Brecht lässt Galileo Galilei seinen enttäuschten Schülern angesichts der Folter sagen: „Ich esse gern.“ Das war auch ok so, weil Galilei sich darauf verlassen konnte, dass seine Einsichten auch anderenorts entdeckt würden. Aber mit der Wahrheit des Evangeliums ist es so, dass sie nicht am Tage ist, sondern immer wieder neu bezeugt werden muss. Und dafür stehen wir ein. Das Schöne ist, dass diese Wahrheit im jüdischen Sprachgebrauch ja mehr ist als ein Sachverhalt. Wahrheit hat auch die Bedeutung von Treue. Wir bezeugen die Treue Gottes zur überaus gefährdeten Welt, und im Bezeugen macht seine Treue uns auch stark in den Hüften.

Zieht an den Panzer der Gerechtigkeit! Ja, die Gerechtigkeit Gottes ist ein hilfreicher Schutz für die Brust, vor allem für das Herz. Sie ist gut gegen Selbstgerechtigkeit, auch gegen den Relativismus der Post-Moderne, gegen die vielfältigen Versuche, die an den Rand Gedrängten dieser Welt mit gelegentlichen Almosen noch zu verhöhnen. Die Gerechtigkeit Gottes ist eine Gemeinschafts-Gerechtigkeit, die sich messen lassen muss an der Fürsorge für die Schwächsten dieser Welt und die Maßstäbe humanen Lebens gegen den grassierenden Egoismus verteidigt. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist eine Frucht des Verständnisses der „Gerechtigkeit Gottes“.

Tragt an euren Füßen als Schuhwerk die Bereitschaft für das Evangelium des Friedens! Wie oft sahen die Menschen im römischen Reich auf Siegessäulen als Symbol der Macht die Stiefel der Landsoldaten abgebildet. Diese Bilder hatten Kultstatus.

Dagegen ziehen wir das Schuhwerk an, das uns bereit macht, die gute Nachricht vom Frieden Gottes zu verkünden, der in unsere Welt kam, um die politischen, ethnischen, sozialen, kulturellen und religiösen Grenzen zu überwinden, vor allem aber unsere Trägheit, die Gewöhnung an die Hybris der Mächtigen. Es mag sein, dass zeitweilig nur bewaffnete Gegenwehr den Frieden vorbereitet, aber einen gerechten Frieden gibt es auf Dauer nur, wenn ich die innere Feindseligkeit überwinde und das Wohl auch der Anderen im Kopf und im Herzen habe. Das hat seinen Niederschlag auch in der Sicherheitsdoktrin der UNO.

Ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle brennenden Pfeile des Bösen abwehren könnt. Das ist nicht der Glaube des Teufels, der, wie Luther betont, Gott auch kennt und zittert. Unser Glaube ist auch keine Doktrin, sondern das herzliche Vertrauen, die gewisse Zuversicht zu Gott, die von ihm alles erhofft, was Menschen und die ganze Schöpfung wirklich brauchen: einen Frieden in Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe. Mit diesem herzlichen Vertrauen auf den, der aus dem brennenden Dornbusch, dem unnützesten Gewächs der Wüste, sprach: „Ich werde für euch da sein.“, konnte Mose Israel aus Ägypten in die Freiheit führen. Und mit dieser Zuversicht auf den, der auf dem Berg sprach: „Ich bin bei euch bis an der Welt Ende.“, kann auch die Kirche aus der Völkerwelt eine Gegengesellschaft gegen die imperiale Phantasterei werden.

Den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, die edelsten Teile der Rüstung, sollen wir empfangen. Beide stehen nicht einfach zu unserer Verfügung. Wir werden ermutigt, willens zu sein, sie zu empfangen, damit wir heil bleiben und Gottes Wort mit Vollmacht sagen können.

Denn, wie der Hebräerbrief sagt: Lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt hindurch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Mark und Bein und urteilt über Regungen und Gedanken des Herzens. (4,12)

Wir sollen dieses Schwert nicht durch staatskirchliche Partnerschaftslyrik stumpf machen, nicht im Nebel zivilreligiöser Beschönigung von kapitalistischem Terror und Gewalt verrosten lassen. Dieses Wort Gottes hat Kraft. Das spüren wir alle, wenn Christinnen und Christen in der Ökumene das Wort Gottes ohne Wenn und Aber in die politischen Arenen hineinrufen. Das gilt darüber hinaus auch für die Glaubens-Zeugnisse von Jüdinnen und Juden, von muslimischen Frauen und Männern oder auch von indigenen Völkern.

Diese Rufer und Ruferinnen wollen nicht auf einsamem Posten stehen. Sie brauchen unsere Gemeinschaft, damit wirklich etwas in heilsame Bewegung kommt.

Paulus, der tapfere Rufer in der römischen Wüste, Gesandter in Fesseln, bat auch um diese Gemeinschaft, um die Freiheit zu gewinnen, das aufgetragene Wort Gottes trotz aller Gefahren zu verkündigen. Es ist vor allem und in erster Linie die Gebetsgemein-schaft, die intimste und ungeschützteste Weise der Gemeinschaft mit Gott und mit seiner Friedens-Ökumene. Beharrlich sollen wir sein in der Fürbitte. Gott will unsere innerste Teilnahme und unser Einverständnis mit seinem Werk. Gott will unser Einstehen für das Heil, das er bereitet hat.

Und wer recht von Herzen betet und sich vom Geist Gottes stärken lässt in den Geburtswehen der kommenden Welt, lernt in der Gemeinschaft der Gemeinde, was zu tun ist im Alltag dieser Welt. Wir lernen es in unseren Gemeinden, Kirchenkreisen, Ämtern, Werken und Einrichtungen. Wir brauchen uns gegenseitig. Allein werden wir resignieren, aber gemeinsam sind wir stark.

So bitten wir: Komm, Schöpfer, heiliger Geist, erneuere unsere Herzen und Sinne! Amen