Der Anti-Held – Predigt zum Palmsonntag 2022 in der Ev. Kirche zu Oberwinter von Pfarrer Michael Schankweiler

Er ist hochgewachsen und wirkt aristokratisch – der andere ist klein und dick von bäurischem Gemüt. Der eine reitet ein klapperiges Pferd – der andere einen Esel……

Don Quichote und Sancho Pansa, – die Gestalten des Miguel de Cervantes – weltberühmt und Weltliteratur – wir sehen sie auf dem Liedblatt in einer bekannten Version von Pablo Picasso gemalt.

Das Ganze geht so: Alonso Quijano, ein kleiner Landadliger, lebt irgendwo in der Mancha in Spanien. Er hat nahezu alle Ritterromane gelesen, deren Begebenheiten er irgendwann für absolut wahr hält……Der Wirklichkeit entrückt, entschließt er sich, selbst eine Ritter zu werden und sich todesmutig in Abenteuer und Gefahren zu stürzen. Er will das Unrecht bekämpfen und ewigen Ruhm an seinen Namen heften, den ändert er um in Don Quichote. Seinem dürren alten Gaul verleiht er den Namen Rosinante – rocin ist im Spanischen ein Gaul….antes…. vorher – er stellt sich sein Pferd vor, wie es vorher gewesen war – ein feuriges Schlachtross.

Zu einem edlen Ritter gehört auch eine Liebschaft, eine Minne. Ein Bauernmädchen, das er in seiner Jugend einmal heimlich verehrt, seitdem aber nie mehr wiedergesehen hat, erwählt er sich – zur Gebieterin seines Herzens. Er nennt sie mit wohlklingendem Namen Dulcinea von Toboso —–es kommt vom dulce = süß…… Er wird sie während des Romans von Cervantes niemals zu Gesicht bekommen.

Er kämpft gegen Windmühlen, die er für böse Riesen hält. Er reitet kampfesmutig in den Staub einer rennenden Hammelherde, die er für ein fremdes, feindliches Heer hält. Er besteht einen Kampf mit Schläuchen von Rotem Wein, die für ihn Schlangen sind – rot blutend geht das Schauspiel zu Ende.Ja, meist enden die Episoden damit, dass Don Quichotte verprügelt wird und wenig ruhmreich als Ritter der traurigen Gestalt auftritt.

Treu an seiner Seite aber reitet der nur scheinbar naive Schildknappe Sancho Panza. Er versucht immer wieder seinen Herrn vor noch schlimmeren Unheil zu bewahren.

Panza oder Pansa – kann man als Bauch oder Wanst verstehen. Sancho Pansa – klein und dick, praktisch und mit einem gesunden Menschenverstand begabt, denkend, ängstlich. Er durchschaut die Narreteien seines Herrn, leistet ihm aber trotzdem die Gefolgschaft. Schützt ihn, holt ihn oftmals zurück auf den Boden der Tatsachen.

Einmal begegnet Don Quichotte einem Transport zweier wilder, junger Löwen. Er bedrängt den Tierwärter den Käfig zu öffnen, um sich dem Kampfe mit den Bestien zu stellen. Trotz aller Einwände öffnet jener schließlich einen Käfig. Der Löwe dreht sich kurz um, dann legt er sich wieder hin und streckt Don Quichotte nur sein Hinterteil entgegen. Der sieht, nach dem Rat von Sancho Pansa, das Abenteuer als bestanden an und legt sich den Beinamen zu: Ritter von den Löwen.

Nun – warum erzähle ich das heute? Am Palmsonntag?

  1. Don Quichote ist ein Anti-Held.

Seine Heldentaten sind nur das Produkt seiner von Büchern entzündenden Fantasie und seiner Wünsche. In Wahrheit ist er ein ältlicher Kauz, der immer wieder unter Schmerzen in die Wirklichkeit zurückgeholt wird. Der Antiheld wird zur Lachnummer. Seine Taten werden zu Spiegeln für die Gesellschaft, die genauso wie er in Krieg und Brutalität einem Wahn erliegt.

Das heißt – könnte es nicht sein, – und darum wäre der Roman von Miguel de Cervantes so hochaktuell,

dass all die Helden, in ihren Panzern, in ihrem heroischen Gebaren, mit ihrem lauten Schlachtengewimmel und – tümmel und Rufen im Wald und Pfeifen im Keller – einem schrecklichen Wahn erlegen sind. Dass die wirkliche Welt gut und gerne ohne sie auskommen könnte? Dass es uns traurig stimmen muss, dass immer wieder Menschen auftauchen, die die halbe Welt mit in ihren Wahnsinn reißen, dass wir ja auch unsere Kinder mit all den Todes und Computerspielen diesen Wahn als Wirklichkeit verkaufen, dass Rambo, 007 nur Illusionen sind, dass ein Filmstar wohl im Film, aber nicht auf offener Bühne einen andren Menschen ins Gesicht schlagen darf. Dass wir Menschen das Gespür für Traum und Wirklichkeit verloren habe und Gott schon allemal auf dem Müllhaufen entsorgt haben.

Die Tierwelt unserer Erde, wenn sie sich uns mitteilen könnte, mit uns kommunizieren – das tun sie zwar – nur wir bemühen uns nicht, ihre Sprache zu erlernen – müssten sich nicht tatsächlich uns Menschen allesamt ihr Hinterteil zeigen, für das was wir an ihnen und an der Schöpfung verbrechen – in unserem Wahn – Helden dieser Schöpfung zu sein?

Einen ausgedienten und auf menschliche Gnade angewiesenen Gaul zum Kriegsross zu – erheben – was für ein Schurkenstreich – tatsächlich keine Heldentat.

Und Jesus – am Tage – als er auf einem Esel in Jerusalem einreitet?

Auch er ein Antiheld! Römische und Griechische Helden – Odysseus, Hector, Alexander der Große – saßen tatsächlich auf Kriegsrossen – in eiserne Panzer gehüllt, behelmt, mit Kriegswaffen aller Art ausgestattet, Schwert, Lanze und Bogen…….

Auf einem Esel kommt da eine arme Gestalt den Ölberg hinab und reitet in die Stadt – Menschen mit Palmwedeln, dem Staatssymbol des geknechteten Israel – neue Hoffnung schöpfend – Gottes Kraft in den Schwachen mächtig – so wie es der Prophet Sacharja weissagte: – nach Martin Buber übersetzt: „Juble sehr Tochter Zion, schmettre Tochter Jerusalem – nun kommt dir dein König, ein Erwahrter – einer der die Wahrheit kennt und lebt – die Wahrheit, dass Krieg nie zum Ziele führt – ein Befreiter – einer, der die Menschen von ihrem Macht – Hass Wahn durch Liebe befreien will – ein Gebeugter, der der Welt Schulden trägt und reitet auf einem Esel, dem Tier der Sanftmut und des Lasten Tragens.

Und weiter heißt es – das ist seine Bestimmung, nämlich Frieden zu allen Völkern zu bringen.

„Rossmacht aus Jerusalem, ausgetilgt wird der Bogen des Kriegs….Er, der Reiter auf dem Esel, er redet den Weltstämmen Frieden, vom Meer zu Meer ist sein Walten, vom Strom bis an den Rand der Erde.“

Frieden ist sein Gebot, Frieden ist sein Auftrag, Frieden für Israel und Frieden für die ganze Welt für alle Völker.

Amen