Zu Karfreitag 2022 – Lukas 23, 32 – 49 Von Pfarrer Michael Schankweiler, Oberwinter

Die öffentliche Meinung über Jesus von Nazareth war- an jenem Tag, einem Freitag vor Pessach: Er ist ein Versager. Er ist gescheitert. Er ist eine Enttäuschung. Wir haben uns in ihm getäuscht. Er gab vor, der Retter zu sein. Der Messias. Der kommende König. Gottes Sohn. König der Juden. Herrscher über uns. Herrscher über die ganze Welt. Doch wenn einer so wehrlos da hängt, ist er nur ein armeseliger Fantast.

Er hängt am Kreuz und viele haben ihren Spott. Es spotten die Oberen, die Ratsherren der Juden. Es spotten die römischen Soldaten. Es spottet einer der Verbrecher, der mit ihm gekreuzigt wird.

„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen!“ Der kommt ganz von allein. Das ist in die deutsche Sprechkultur eingegangen. Bis heute ist das so. Wer ein hohes Amt begleitet und scheitert, wird gnadenlos behandelt. Mit allen Regeln der Kunst wird nachgetreten. Wer scheitert wird verlacht und verhöhnt. Er oder sie kann noch soviel erklären und für Verständnis werben. Wer seine Leistung nicht bringt, findet sehr schnell die, die ihn auslachen, klein machen, abschieben, vernichten, ausgrenzen, mit Hohn bedecken…….öffentlich ausgezogen werden, die Hosen runterlassen, Demütigung, wie bei Jesus. Ihm wird seine Kleidung genommen. Völlig nackt, entblößt bis in den Intimbereich, wird er ans Kreuz geschlagen. Schutzlos ist er den Blicken der Menge ausgeliefert, die ihn taxiert und alles zu sehen bekommt, was sonst der Öffentlichkeit verborgen bleibt: die Verletzlichkeit des Körpers.

Bei Jesus spotten die Oberen: Er hat anderen geholfen, helfe er sich selber? Das müsste er doch können?

Bei Jesus spotten die Soldaten: Bist Du der König der Juden, dann zeige deine Macht?

Und auch einer der Verbrecher spottet: Bist Du nicht der Messias, hilf uns und Dir selbst!

Jesus am Kreuz in der Mitte, ein Verbrecher links, ein Verbrecher rechts, unten das Volk, die Soldaten, die Oberen aus dem jüdischen Rat, ein römischer Hauptmann und von ferne stehen Frauen, weiß Lukas zu berichten, Freundinnen von Jesus, Schülerinnen, die weit entfernt zusehen und alles mit traurigem Herzen anschauen.

Im Grunde genommen begegnen wir hier einer Gerichtsszene – die Kreuzigung wird zum Weltengericht. Und das, was Jesus Option im irdischen Leben war, findet hier eine Fortführung in der jetzigen und in der kommenden Welt, nämlich die Vergebung.

Zunächst: Im Gericht wird ein Urteil gesprochen. Das letzte und letztgültige Urteil spricht der römische Hauptmann über Jesus: Er sagt: „Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen!“ Jüdisch: ein Zadik, jemand, dem es um Gerechtigkeit in und für diese Welt ging, der dafür gesorgt hat, dass Menschen gerecht behandelt werden, der anderen half, der die Gebote achtete, der sich um die Geringen und Verletzten kümmerte und der Menschen die Schuld vergeben hat. Das war es dann ja auch, dass die Schriftgelehrten an ihm in Hauptsache kritisieren, dass er Schuld vergeben hat. Ihrer Ansicht nach, könne das doch nur Gott tun. Und tatsächlich, das ist ja das Geheimnis des Zadik Jesus……….Als sie ihn kreuzigten, wissen sie nicht was sie tun, warum? Nun mit der Hinrichtung eines Menschen wissen sie natürlich, was sie tun, aber, was sie nicht wissen ist, dass sie es mit diesem Menschen, mit Gott selbst zu tun haben, dass der Schmerz, den sie Jesus zufügen, zugleich Gottes Schmerz ist und dass ihr Spott auch Gott entehrt…….Nit Spott mit Gott, steht gegenüber am Fachwerkhaus neben der alten Pumpe.

Das Kreuz von Golgatha teilt die Menschheit in solche, die spotten und solche die glauben, und sich zu Gott bekehren, beides wird erzählt. Selbst am Kreuz, will der Evangelist Lukas zeigen, bleibt sich Jesus treu, seinem Wirken, seinem göttlichen Auftrag, nämlich Vergebung zu schenken.

Vergebung meint: Einer sieht in mir den Mensch, den Verlierer, den Gescheiterten, aber er verstößt mich nicht. In seinen Augen bin und bleibe ich Gottes Kind. Einer macht mich nicht ob meiner Fehler, den heimlichen oder den öffentlichen klein, sondern hilft mir zu einem neuen Anfang – und sei es, wie hier in der Kreuzigungsszene, dass er uns mitnimmt in Gottes Sphäre, Lebensbereich, nennen wir es ruhig Paradies. Vergebung meint: Er gibt mir zurück, was ich verloren hatte durch meine Dummheit und schlimme Tat: mein Ansehen, meine Würde, meine Gotteskindschaft.

Über die Aktualität, dass eine Gesellschaft, letztendlich: Vergebung und Erbarmen braucht, muss man gar nicht streiten. Es liegt auf der Hand.

Die Botschaft des Karfreitags und der ganzen Heiligen Schrift ist, dass Gott sich nie der Bitte um Vergebung verweigert hat. Und so wie für den Mitgekreuzigten gibt es auch für uns kein zu spät, selbst um Vergebung zu bitten. Im Vertrauen auf den Gott, der vergibt, kann ich der Mensch werden, den Gott sich wünscht. Ich kann Verantwortung übernehmen für das, was ich anderen angetan habe…so wie der eine Mitgekreuzigte, der sagte: „wir hängen hier zu Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen!“ Aber er ist ohne Schuld.

Vergebung macht neues Leben möglich – das ist das Evangelium des Tages.

Viele schlugen sich an die Brust, und kehrten sich um zu Gott.

Amen