Liebe Gemeinde!
Die kleinasiatische Stadt Ephesus, am Mittelmeer gelegen, in der der Apostel Paulus eine Gemeinde gegründet hatte, war schon zu seinen Lebzeiten weltberühmt. Berühmt durch den Tempel der Fruchtbarkeitsgöttin Artemis, ihr Bildnis, der Legende nach vom Himmel gefallen, gehörte zu den 7 Weltwundern. Prachtstraßen, marmorne Wandelhallen, Paläste der römischen Besatzung, eine weit beachtete Bibliothek lag in ihr, Marktplätze und Karawansereien, Ephesus war eine Handelsmetropole, in ihr wurden kostbare Gewürze, Gold, Weihrauch, Myrre, verschifft. Daneben besaß die Stadt eine Unzahl an Tempeln, Synagogen, Philosophenschulen, Geheimbünde und Bruderschaften.
Im Jahre 90 nach Christus, 40 Jahre nachdem Paulus in ihr gewirkt hatte, hatte sich die Situation der christlichen Gemeinde stark verändert. Zwar existierte noch eine christliche Schule, die von Paulus Schülern gegründet war und fortbestand und die die Weisheit und das Ansehen des großen Theologen und Denkers hochhielt, es gab auch noch die kleine Gemeinde von Christinnen und Christen, aber, – das Leben dieser Gruppe von Christusgläubigen war gekennzeichnet von Angst. Angst um den Fortbestand. Angst ums Überleben. Es war die Zeit der ersten Christenverfolgung unter dem Kaiser Domitian, die auch vor den Städten Kleinasiens nicht Halt machte. Christen galten als Staatsfeinde, sie verweigerten den Militärdienst und beteten das Kaiserbild nicht an, ihr Glaube an den einen und unsichtbaren Gott macht sie in den Augen ihrer städtischen Mitwelt zu Atheisten, und dass ihr königlicher Erlöser Jesus über dem römischen Imperator stand, machte sie höchst verdächtig, kein Kaiserreich, sondern ein Gottesreich erhofften sie, ihre propagierte Feindesliebe ließ sie nur zu leicht zu Opfern von hämischen Angriffen und Übergriffen ihrer Nachbarn werden. Das berühmte Jesuswort des Verzichts auf Gegenwehr, bekommt hier ihren Sinn: – sie werden auf die Backe geschlagen, ihre Mäntel werden weggenommen, sie werden um ihren Besitz gebeten oder er wird ihnen weggenommen. Sind dem allen ausgeliefert.
Was hätte uns wohl Paulus gesagt, als Seelsorger und im Hinblick auf diese große Seelennot? Was kann helfen, wenn äußere Feinde uns bedrängen? Was gibt Kraft?
Die Bedrängten in Ephesus lassen ihr großes Vorbild zu Wort kommen, Paulus von Tarsus, den weitgereisten Völkerapostel, einen der größten theologischen Denker der Antike. (Denn er hatte all das ja selber erlebt: Angriffe, Schläge, Ketten, Gefängnis, Neid, Todesangst!)
Nun lesen wir: Eph.3, 14-19
Aus dem Gehörten möchte ich kurz vier Gedanken entfalten:
- Das Gebet
- Der eine Gott und die eine Menschheit
- Der äußere und innere Mensch
- Die Liebe Gottes
1. Das Gebet bittet darum, nicht zu verzagen, den Mut nicht sinken lassen, nicht den Mut verlieren · oder hoffnungslos sein oder klein beigeben. Nicht zusammenbrechen – eine Zarge, jetzt mit r, ist ja etwas, was die Tür oder das Fenster vor dem Einsturz bewahrt. Bleibet fest und standhaft, darum bittet der imaginäre Paulus seine kleine Gemeinde in Ephesus. Er kleidet seine Bitte um Standhaftigkeit in ein Gebet. Er bringt, wie jeder gute Leiter einer Gemeinde, die Anliegen der ihm anvertraute Menschen vor Gott. Er tritt mit ihnen und ihrer Not vor den Thron Gottes im Gebet und erbittet Kraft aus Gottes Kraft und Herrlichkeit aus Gottes Herrlichkeit und Trost von Gottes Trost. Ein Gebet, so sagte es einmal der Nobelpreisträger für Medizin, Alexis Carrell, sei die mächtigste Form der Energie, die wir ausstrahlen können.
2. Der eine Gott und die eine Menschheit
Die Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte von gegenseitiger Unterdrückung, Versklavung, Verächtlichmachung von Minderheiten, Pogromen, Ausrottung und Völkermord, Abgrenzung, rassistische Theorien über Unter und Übermenschen, Herrenrasse, dass ein Volk oder eine Ethnie besser sei als die andere. Nationalisten jeder Spielart nähren sich aus der Verachtung der Anderen.
Dagegen steht die Bibel. Sie erzählt uns von einem Gott und einer Menschheit. Jeder Mensch ist das Ebenbild Gottes. Und kein Mensch ist besser oder schlechter als der Andere. Die Bibel kennt nur eine Menschheitsfamilie und nur einen Vater und nur einen Schöpfer des Himmels und der Erde, der nicht loslässt das Werk seiner Hände. Der Gott der Schöpfung ist in seiner Selbstkundgebung der menschenfreundliche Gott. (Karl Barth) Und allen hat er Namen gegeben. Er schuf Individualität und Vielfalt als Reichtum. Mann und Frau sind aus einem Menschen gekommen, gleichwert, gleich wichtig, gleich von ihm geliebt und wunderbar gemacht. Alle sind Gottes Kinder, Martin Luther übersetzte hier: „Gott, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden.“ Und das Ziel ist, dass alle Völker am Ende der Zeit die Fülle der Liebe und die Fülle der Erlösung erfahren.
Die Gelehrten, die uns die biblischen Schriften aufbewahrt hatten, haben die Schöpfungsgeschichten nicht ohne Grund an den Anfang der Bibel gesetzt. Es geht hier um die ganze Menschheit, um alle Menschen. Und selbst dort, wo die Geschichte Gottes mit bestimmten Menschen in der Bibel beginnt, mit Abraham und mit dem Volk Israel, wird immer gesagt, dass er zwar mit ihnen beginnt, dass aber die Erwählung zum Heil nicht für einen exklusiven Club gedacht ist, sondern alle Menschen zielt. So sagt Gott zu Abraham nicht nur: Du sollst gesegnet sein, sondern auch, in Dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Und dem Volk Israel, das aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehren darf, schärft der Prophet Jesaja ein: „Denkt daran, Eure Aufgabe ist: Licht für die Völker zu sein. Und auch die Rechtssammlungen Israels hat neben der Liebe zum Nächsten immer auch die Liebe zum Fremden zum Thema, zu dem, der unter Euch wohnt.
Wer Menschen schändet, schändet Gottes Ebenbild. Du bist und bleibst ein Mensch inmitten aller Menschen, von Gott geliebt und zur Fülle allen Menschseins gerufen. Du bist und bleibst ein wertvolles Menschenkind. Vergesst es nicht!
3. Der äußere und innere Mensch
Wir alle kennen das. Die äußere Welt, die mit allen Sinneseindrücken auf uns einströmt und Einlass in unser Inneres begehrt. Und wir kennen unsere innere Welt, den Gedanken- und Gefühlsraum in uns, Raum der Zwiesprache mit dem, was wir denken und fühlen, nennen wir es die Psyche oder auch die Seele. Paulus sah im Spiegel sein Äußeres, sah sich altern, sah die Falten, die hohe Stirn, und notierte die Erfahrung, äußerlich tatsächlich älter zu werden – man sah´s – aber innerlich immer jünger zu werden. So schrieb er: „Darum werde ich nicht müde, sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert.“ 2. Kor.4,16
Will sagen, dass Äußere, all das, was jeden Tag auf und einströmt und Sorgen macht – müsste man besser kontrollieren können, dass es uns nicht am Ende die ganze Lebensfreude nimmt. Ich meine das jetzt nicht als Flucht, sondern als Selbstschutz. Diese Idee vom inneren Menschen hatte Paulus mutmaßlich von dem griechischen Philosoph Platon übernommen. (Apg. Zwei Jahre in einer PH-Schule lehrte und lernte). Schon Platon wusste genau, dass man die Seele gewaltsam mit Eindrücken der Außenwelt affizieren, also überreizen kann und damit den ganzen Menschen in Disharmonie stürzt. Für die Seele besteht höchste Gefahr befleckt, missbraucht und unrein zu werden. Nach Platon gibt es Dinge, die die Seele schlecht machen: nämlich Ungerechtigkeit, Maßlosigkeit, Feigheit und Unwissenheit. Besser für unsere Seelen zu sorgen, die Seelen unserer Kinder, die Seelen aller Menschen, darum geht es. Heute dringender denn je. Nach Corona sind die Zahlen an Menschen , die Hilfe suchen exorbitant gestiegen. Isolation, Angst vor der Zukunft, Ungewissheit, hat viele desorientiert. Und haben wir gemeint, als wir kriegstraumatisierte Menschen aus Syrien oder Ukraine aufnahmen, es würde der Seelenschmerz von alleine heilen? Der Anteil an jungen Frauen, die an Bulimie, der Magersucht erkrankt sind, ist um mehr als 50 % gestiegen. Wenn ich alleine daran denke, was der Bombenterror in der Ukraine am Tag und in der Nacht mit den Seelen Kindern macht oder im Gazastreifen in Hungersnot und Bombardement, oder bei den Geiseln in ihren Verstecken. Angst essen Seele auf! Die Seele ist doch der Atem des Geistes. Wenn Angst; Terror, Not, Menschenunwürdiges in unserer Seele wohnt, wie kann dann noch Gottes Geist darin Platz haben? Darum bitten wir mit dem 51. Psalm: „ Schaffe in mir Gott ein reines Herz und gib mir, gib der ganzen Menschheit einen neuen beständigen Geist!“ Ps. 51
4. Die Liebe Gottes
Die Liebe alleine zählt. Sie baut auf, konnte Paulus tröstlich schreiben, und später: sie hört nimmer auf, mit dem Glauben und der Hoffnung zusammen bleibt sie! Die Liebe zu allen Menschen, die Liebe, die in Jesus Christus lebendig ist . Der Geist Gottes ist es, der im inwendigen Menschen, in seiner Seele, den Raum schafft für diese Liebe. Einen Humus für Humanität, in der ein freies Leben wurzeln kann. Eine Liebe, die Gewissheit schafft, eine Liebe, die dein Menschsein mit Gnade und Barmherzigkeit krönt, eine Liebe, die Selbstbewusstsein, Geduld, Leidensfähigkeit und Kraft schenkt. Eine Liebe, die Seelenwunden heilt und Seelenschmerzen in Energie transformiert. Eine Liebe, die ein einspuriges, ja eintöniges und graues Leben verändert und in vielfältigen Dimensionen hinträgt, in die Breite, die Höhe, die Tiefe und Länge menschlichen Seins und zu neuem Leben emporwächst. Wir alle schulden der Welt und schulden unserem Gott Seelenstärke und Widerstandskraft, Mut, Aufrichtigkeit, Menschenliebe und leuchtende Augen des Herzens. An anderer Stelle bindet der Epheserbrief alles zusammen, die er verzagten Herzen an Ermutigung zu sagen weiß:
„Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat uns in seiner großen Liebe, mit der er uns liebt, auch uns lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr errettet! Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. In dem einen Gott und dem Einen Herrn Jesus Christus sind wir die eine Menschheit. Er schenke Euch allen Frieden.
Der ewig reiche Gott, wollt uns bei unserem Leben, ein immer fröhlich` Herz und edlen Frieden geben. Und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort und uns aus aller Not erlösen hier und dort. EG 321,2 Amen
